Gesundheit Politik

Kommt jetzt doch die Bürgerversicherung?

Das Ende der zwei Klassen Medizin?

Nachdem die Sondierungsgespräche ein unerwartetes Ende gefunden haben, hoffen die Politiker von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nun doch noch ihre Version der Bürgerversicherung in der kommenden Legislaturperiode umsetzen zu können.

Die Grünen versuchen, spätestens seit Beginn des Wahlkampfs, eine Überarbeitung des Krankenversicherungswesens herbei zu führen. Zu mehr Sicherheit und Gleichberechtigung soll die Bürgerversicherung führen. Alle Bürger sollen in diese Versicherung einzahlen. Arbeitnehmer, Geringverdiener, Selbstsändige, Beamte – einfach alle.

Nur so, meinen die Grünen, lässt sich vermeiden die Alten, Kranken und schlechter Verdienenden in der gesetzlichen Kranken- versicherung (GKV) und alle mit höherem Einkommen, die aktuell noch in der Privaten Krankenversicherung (PKV) versichert sind, zu sammeln. Gemeinsam sollen sie für die gesamt- gesellschaftlichen Krankenversicherungskosten aufkommen. Auch die Arbeitgeber sollen wieder stärker eingebunden werden. Zusatzbeiträge sollen nicht mehr alleine durch die Arbeitnehmer getragen werden. Die Grund- lage für diese Variante der Krankenversicherung sehen die Grünen sogar im Grundgesetz (GG) verankert. Artikel 20 GG soll die Grundlage hierfür sein.

Mit 55 gibt es kein Zurück!

Zur Zeit ist es so geregelt, dass ab dem 55. Lebensjahr ein Wechsel zurück in die gesetzliche Krankenversicherung nicht mehr möglich ist. Die privaten Versicherer schliessen, von Fall zu Fall, bestimmte Risiken aus. Werden trotzdem medizinische Leistungen erforderlich, so zahlen die privat Versicherten aus eigener Tasche. Nicht selten hat dies zu einem Bankrott aus Gesundheitsgründen geführt.

Stattdessen sollen die Zahlungen aller Versicherten in einen gemeinsamen Topf fließen und so ggf. zu einer besseren Versorgungslage für alle Versicherungsnehmer beitragen.

Die Einrichtungen der medizinischen Infrastruktur (Kliniken, Arztpraxen, etc.) würden somit eine einheitliche Vergütung für die Versorgung ihrer Patienten erhalten, unabhängig vom Einkommen der Versicherten. Das dies eher zu einer Gleichbehandlung der Patienten führen kann, als es jetzt der Fall ist, scheint unbestritten. Dies würde die aktuellen Ungerechtigkeiten in jedem Fall reduzieren. Wer sich durch die Bürgerversicherung nicht ausreichend versorgt fühlt, dem steht es frei, Zusatzleistungen wie Chefarztbehandlung, Zahnersatz o.ä. mit einer Zusatzversicherung abzudecken.

Ein weiterer Pluspunkt, so der Bundesvorsitzende von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, Cem Özdemir, ist, dass hierüber wieder ein flächendeckendes Angebot von Haus- und Fachärzten installiert werden kann. “Es kann doch nicht sein, dass sich in wohlhabenden Gebieten die Arztpraxen aneinanderreihen und dort wo Alte und sozial Schwache leben gibt es im Umkreis von hundert Kilometern keinen Arzttermin in den nächsten Monaten!” Dies könnte in strukturschwachen Gegenden dazu beizutragen, dass besonders junge Leute nicht in die Großstädte flüchten. Universitäten und andere Spezialeinrichtungen werden an zentralen Punkten vorgehalten und bedürfen einer soliden Finanzierung. Hier sollen Bund und Länder zusammenarbeiten, um in allen Regionen eine qualitativ hochwertige Versorgungsstruktur anbieten zu kön- nen. Dabei sind auch entsprechende Ausbildungskapazitäten an Hochschulen und Universitäten für Ärzte und andere Gesunheitsberufe erforderlich.

“Wenn alle in eine Kasse zahlen und auch die jungen und gesunden Besserverdiener beteiligt sind, dann könnten die Beiträge der Bürgerversicherung gegenüber der jetzigen gesetzlichen Krankenversicherung vielleicht sogar noch gesenkt werden.”

Ob dies nur ein Lockvogel der Partei ist, wird sich nach einer eventuellen Einführung noch zeigen müssen. Im Hinblick auf den demografischen Wandel eine mutige Prognose. Zuletzt zeigte die Geburtenrate, auch durch die Zuwanderung, eine positive Entwicklung auf. Insgesamt ist zumindest mit einem Anstieg der Kosten im Gesund- heitswesen zu rechnen, denn vor allem mit dem Alter häufen sich auch die behandlungsbedürftigen Erkrankungen.

“Mit einer Reform wollen wir Qualität verbessern, Fehlanreizen zur Leistungsausdehnung entgegenwirken und die Investitionsfinanzierung auf die Schultern von Ländern und Krankenkassen verteilt neu aufstellen.”

heißt es im Wahlprogramm von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Auch bei der Notfallversorgung sieht die Partei Verbesserungsbedarf. Mit der Digitalisierung sollen die Patientinnen und Patienten einen selbstbestimmten Zugang zu ihren eigenen Daten haben, ohne dabei auf Sicherheit verzichten zu müssen. Das erinnert schon fast an den Wahlslogan “Digitalisierung first, Bedenken second” von der FDP. Das klingt in beiden Fällen modern und es ist vermutlich gar nicht anders denkbar, eine vernetzte Arzt-Arzt oder Arzt-Patienten-Kommunikation zu ermöglichen. Jedenfalls nicht, wenn mit einer vollständigen Patientenakte gearbeitet werden soll. Auch in Notfällen könnte diese Akte am Einsatzort für den Rettungsdienst zur Verfügung stehen. Es bleibt also vermutlich nichts anderes möglich, als hierbei auf das Pferd der Digitalisierung zu setzen.
Wie lange es dann dauert, bis auch eine Bürgerversicherung auf die Idee kommt, die persönlichen Tracker der Versicher- ten anzuzapfen, um Patientenakten zu füllen und Versicherungstarife zu beein- flussen, unterliegt im Moment komplett der Spekulation.

Titelbild: CC-BY-NC-SA Techniker Krankenkasse, Arzt-Patienten Verhältnis

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